Röttgener Kleiderstube feiert Jubiläum: 30 Jahre Hilfe für Menschen in Not

Die versammelte "Mannschaft" der Röttgener Kleiderstube.
Die versammelte "Mannschaft" der Röttgener Kleiderstube.

Bei selbstgebackenen Kuchen, Kaffee und Tee feierten die 20 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen der Kleiderstube am Samstag im Pfarrzentrum Christi Auferstehung das 30-jährige Bestehen der Röttgener Kleiderstube. An der herbstlich dekorierten Kaffeetafel nahmen neben den Betreiberinnen der Kleiderstube auch einige Gäste Platz aus Politik (E. Zaun vom SPD-Ortsverein, M. Sanders vom FDP-Ortsverband Duisdorf), Kirche (Pastoralrefereitin R. Effertz und als Vertreterin der evangelischen Kirchengemeinde am Kottenforst Frau von Kamecke) und anderen Hilfsorganisationen (N. Lust vom Verein „Helfende Hand“).

 

Die Mitarbeiterinnen der Kleiderstube freuen sich, dass es ihnen seit 30 Jahren möglich ist, die materielle Not vieler Menschen mit ihrem Angebot zu lindern. Obwohl die Röttgener Kleiderstube nur an zwei Tagen in der Woche für jeweils eine Stunde geöffnet ist, werden hier im Jahr durchschnittlich sage und schreibe 1300 Personen eingekleidet und mit den nötigsten Alltagsgegenständen versorgt.

 

„Dass aus einer ursprünglich spontanen Kleidersammlung für bedürftige Aussiedlerfamilien, eine Hilfsorganisation werden würde, hat vor 30 Jahren niemand geahnt“, sagt Gründerin Cornelia Bross nicht ohne Stolz. Und hätte sie damals, als ihre Tochter sich darüber wunderte, dass einige ihrer Klassenkameraden in der kalten Jahreszeit nur mit Sandalen und in viel zu dünne Jacken gehüllt in die Grundschule kamen, nicht genauer hingeschaut – wer weiß, ob es die Kleiderstube in Röttgen heute gäbe.

 

Tatsächlich lebten zu dieser Zeit 15 bis 20 Spätaussiedlerfamilien aus Polen in Röttgen, die mit der „Glasnost-Welle“ hier angespült wurden und denen es am Nötigsten fehlte. Frau Bross beschloss zu handeln und arrangierte eine spontane Kleidersammlung für die Familien. Cornelia Bross und zwei weitere Frauen aus Röttgen (Frau Schwenke und Frau Birker) schauten auch nicht weg als auf die polnischen Aussiedler mittellose Russlanddeutsche und Flüchtlinge aus der DDR, Somalis und später auch Roma und Sinti folgten. Immer mehr Spenden wurden gesammelt, um diesen Menschen zu helfen. Sie alle lebten in dem in dem damals schon abbruchreifen und ungenutzten Motel in Röttgen. „Nach dem Abriss des Motels und mit der Einführung des Bonn-Ausweises durch die Stadt Bonn, finden bis heute auch Türken sowie eine bunte Mischung vieler Nationalitäten aus der Stadt und der Umgebung den Weg zu uns.“ Gegenwärtig kommen Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, Irak und Afrika vermehrt hinzu. „Die politische und gesellschaftliche Entwicklung ist bei uns deutlich sichtbar. Wir wissen immer wo die aktuellen Krisen der Welt herrschen“, berichten Cornelia Bross, Frau Schwenke und Frau Birker, die übrigens alle von der ersten Stunde der Kleiderstube an ohne Unterbrechung dabei sind.

 

Messgewand neben "Second Hand-Ware"

Problematisch sei immer das Finden geeigneter Lagerräume gewesen. Zu Anfang stellt uns die katholische Kirchengemeinde ihre Sakristei in Röttgen zur Verfügung. Dort stapelten sich schon nach kurzer Zeit Pullover, Hosen, Röcke, Schuhe und Geschirr neben Messbechern, Altarglocken, Kirchenkerzen und bronzenen Altarkreuzen. Alte Wintermäntel und Jacken hingen gleich neben den fein bestickten Messgewändern im Schrank. Und über allem waberte der Duft von Mottenkugeln. Nach einem halben Jahr konnte dieser unhaltbare Zustand auch, weil die Sakristei aufgrund anwachsender Kleiderspenden aus allen Nähten zu platzen drohte, mit dem Umzug in die Kellerräume der ehemaligen Hauptschule in der Dorfstraße beendet werden. Schnell waren auch diese Räumlichkeiten zu klein, obwohl jeder Winkel bis hin zur Besenkammer und den Duschen ausgenutzt wurden. Nach einem Jahr im feuchten, dunklen Keller, folgte ein erneuter Umzug. „Diesmal stellte uns die Stadt Bonn im gleichen Gebäude einen ungenutzten, von Tageslicht erfüllten Klassenraum zur Verfügung, in dem die Kleiderstube auch heute noch ist. Zudem unterstützt uns die Stadt mit Heizung und Strom und hat uns vor einigen Jahren in die Liste der städtischen Kleiderstuben aufgenommen. Auch dafür sind wir sehr dankbar“, erzählt Bross.

 

Jede Spende kommt an 

Froh sind die Betreiberinnen der Kleiderstube auch über die ungebrochen große Spendenbereitschaft der Bevölkerung. „Selbst wenn es scheint, dass wir manchmal in Spenden versinken, freuen wir uns über gut erhaltene, saubere Kleidung sowie Dingen des täglichen Gebrauchs z.B. aus Haushaltsauflösungen.“ In 30 Jahren haben die Mitarbeiterinnen u.a. ein verzweigtes Netzwerk aufgebaut, um Sachen, die in der Kleiderstube Röttgen „nicht gehen“ oder die Staumöglichkeiten sprengen sinnvoll und auch im Sinne der Spender weiter zu verteilen. Dabei ist es dem Team besonders wichtig, dass die Kleidung auch wirklich dort ankommt, wo die Not groß ist. Kooperationen gibt es mit der Kleiderstube Medinghoven, Esperanza von der Caritas, Oxfam, Düsseldorf und mit Herrn Nikolai Lust, Gründer und Leiter der Christlichen Mission „Helfende Hand“ e.V.

 

Nikolai Lust: Gründer und Leiter der Hilfsorganisation "Helfende Hand" e.V.
Nikolai Lust: Gründer und Leiter der Hilfsorganisation "Helfende Hand" e.V.

Monatlich auf Achse nach Rumänien und Moldawien

Die Zusammenarbeit mit Nikolai Lust besteht schon lange Jahre. Nikolai Lust, selbst ausgesiedelter Russland-Deutscher, kennt die Not und die spärlichen Lebensverhältnisse der Menschen in seiner Heimat nur zu genau. Kontinuierlich sammelt er Hilfsgüter, die er zu verschiedenen Kirchengemeinden und neu gegründeten Frauenhäusern in Rumänien und Moldawien transportiert. Monatlich machen Lust und seine ehrenamtlichen Mitarbeiter sich mit vier Transporten auf den Weg dorthin und absolvieren hin und zurück eine Strecke von rund 4000 Kilometern. „Wir fahren bei jedem Wetter, denn warme Kleidung, Betten, Spielsachen für die Kinder, Schuhe u.v.m. werden dort dringend gebraucht“, erzählt Lust. Dabei achtet er streng darauf, dass die gesammelten Spenden nicht in die Hände von Händlern geraten. Die Verteilung vor Ort übernehmen die Kirchengemeinden. Stichprobenartig fährt Nikolai Lust die Familien und Frauenhäuser auch direkt an, um sich zu vergewissern, ob alles auch wirklich dort ankommt.

 

Wichtig ist ihm auch die Transparenz seiner Hilfsaktionen. So zeugen viele Fotos in der Röttgener Kleiderstube von seinen Fahrten und den ärmlichen Lebensverhältnissen der Menschen vor Ort. Die Kosten für die Transporte, die Wartung der Fahrzeuge sowie die Miete der Garagen, die ihm als Zwischenlager dienen, finanziert Nikolai Lust aus eigener Tasche und zum Teil aus Spenden. Auf die Frage warum er diese Strapazen neben seinem Job und die finanziellen, privaten Zusatzbelastungen auf sich nimmt, antwortet er schlicht: „Das ist meine Berufung als Christ.“

Weiterführende Links zur Röttgener Kleiderstube:

 

Die Kleiderstube, Öffungszeiten etc.

 

Ein Interview mit Cornelia Bross von 2015, das noch nichts an Aktualität eingebüßt hat:

26 Jahre Kleiderstube in Röttgen - viel mehr als nur eine Kleiderstange

 

Link zur:

 

Christlichen Mission "Helfende Hand" e.V.

auf Facebook findet man weitere aktuelle Informationen über die Arbeit der Christlichen Mission.

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