Röttgen ist ein Pool der Kreativen. Ob Maler, Bildhauer, Kunsthandwerker, Musiker oder Schriftsteller, viele von ihnen sind hier zu Hause – bekannte wie unbekannte. Ob Röttgens schöne Lage mit der Nähe zum Kottenforst ursächlich ist für Inspiration und Schaffensfreude oder ob gerade dieses schöne Fleckchen Erde am Rande von Bonn insbesondere so viele Schöpferische anlockt, mag dabei einerlei sein. Das Ergebnis ist das gleiche. Einer der kreativen Köpfe ist der Schriftsteller Dietmar Röser: Autor, Philosoph, Philologe, Germanist und Weltenbummler! Sechsmal ist er schon um die Welt gereist. Tibet, den Himalaja, Bali, Tunis, Shanghai, die ägäischen Inseln, Moskau, Peking, Bangkog, Sibirien, die Wüste Gobi… sind ihm, „ein bisschen vertraut“, schmunzelnd er.
In insgesamt acht Büchern und Gedichtbänden liefert Röser einen unterhaltsamen und abwechslungsreichen Querschnitt seiner Reiseerlebnisse und Gefühlswelten, in denen sich auch der Leser wiederfinden kann. Zwar ziehe es ihn nach wie vor in die Welt hinaus, die Lust zu schreiben gewinne aber mit zunehmendem Alter die Oberhand, sagt er. Rückblickend kommt Röser zu der Erkenntnis, dass ihn seine Reisen nur noch heimatverbundener gemacht hätten: „Wenn man in der Ferne tiefer sieht und gräbt, findet man im Grunde vieles Ähnliche wie zu Hause“.
„Eine Reise ist ein Trunk aus der Quelle des Lebens“* – und Dietmar Röser hat mehr als einmal genippt!
(*Christian Friedrich Hebbel)
Mit 16 Jahren zog Dietmar Röser in einer Zeit als das Reisen noch keineswegs zur Normalität gehörte erstmals in die Welt hinaus. Mit dem Bund Neudeutschland, der 1919 als katholischer Schülerbund gegründet wurde und den es auch heute noch in ähnlicher Form gibt, ging es nach Rom. Nicht mit dem Bus oder dem Zug, nein, mit dem Fahrrad strampelten 10 Jugendliche von der Pfalz aus über die Schweiz nach Italien. 3000 Kilometer mit 08/15-Fahrrädern über die Alpenpässe in sechs Wochen.
Trotz einiger Widrigkeiten sei diese Reise die „Initialzündung“ für zahlreiche weitere rund um den Globus gewesen, erinnert sich der Rentner noch genau. Anekdote um Anekdote sprudeln aus ihm heraus. Wie er mit einem Freund durch England getrampt ist und der erste Tag in London beinahe auch der letzte geworden wäre: „Beim Überqueren der Straße hätte mir beinahe einer der großen Busse nicht nur die Nasenspitze, sondern auch den Rest platt gemacht! Seitdem respektiere ich im Bedarfsfall auch den Linksverkehr!“ Wie ein Taxifahrer in Thailand nur schwer davon zu überzeugen gewesen sei, dass der junge Mann auf dem Rücksitz keineswegs auf ein Tȇte-à-Tȇte mit den attraktiven thailändischen Mädchen aus sei, sondern tatsächlich zum Wat Phra Kaeo (Tempel des Smaragd -Buddha) gefahren werden wolle.
Als junger Mann sei das Geld für Fernreisen oft knapp gewesen. Das sei jedoch nie ein Hanicap gewesen. Schnell hatte Röser spitz wie man auch mit kleinem Geldbeutel weit in der Welt rumkommt. So habe er als Lektor auf deutschen Kreuzfahrtschiffen angeheuert, wo er die Gäste mit Lichtbildvorträgen über die Zielländer unterhielt, von denen er selbst die meisten bereits bereist hatte. Auf diese Weise kam er in die Karibik, sah Kap Horn und vieles mehr. Nach dem Prinzip „Hand für Koje“ war er einen Monat lang als Deckhand an Bord der „Sea Cloud I“, auf der Ostsee bis Helsinki unterwegs. Alles in allem kommen so drei Monate und an die 5000 Seemeilen auf Großseglern zusammen! „Bei manchen Seglern muss man allerdings dafür bezahlen, dass man ins Rigg will oder sich bei den schweren Tampen Schwielen an die Pfoten holt!“ Herzlich lachen muss Röser, wenn er an seine Zeit auf der Alexander von Humboldt I. denkt. Denn bei einigen Drehs der bekannten Beck´s Bier-Werbespots in der Karibik, war Röser auf dem Dreimaster mit dem grünem Rumpf und den grünen „Spinatsegeln“ (so die gängige Bezeichnung in der Crew) hautnah mit dabei. „Ganz glatt lief die Sache allerdings nicht“, plaudert Röser aus dem Nähkästchen. „Um die Bark unter vollen Segeln zu filmen, sollte ein Kamerateam auf einem schnellen Motorboot nebenher fahren. Nachdem wir aber auch das letzte Segel gesetzt hatten, war das Motorboot in Nullkommanichts abgehängt.“ Dass die Aufnahmen am Ende doch im Kasten waren, verdankte die Werbefirma einem Griff des Kapitäns in die Trickkiste. Der ließ nämlich unter vollen Segeln sämtliche Motoren des Schiffes rückwärts laufen – ein riskantes aber geglücktes Manöver.
Diese und weitere Geschichtchen erzählt Röser so unterhaltsam, dass man ihm gerne zuhört.
Übrigens hat der begeisterte Segler auch lange Jahre in einem Chanty-Chor gesungen. Nicht etwa im hohen Norden, nein in Bonn! – auch da gibt es sowas.
Dietmar Röser liebt das Meer, aber tiefer noch hat ihn die Sahara beeindruckt. „Nirgends ist man dem Himmel so nah und erlebt das Funkeln der Sterne und die Klarheit der Farben so intensiv wie hier“, schwärmt er. Überwältigend seien vor allem die Nächte in der Wüste: „Wenn man das leise Singen des Sandes hört, wenn der Nachtwind über die Dünen streicht.“ Ganz zu schweigen von der Fata Morgana, die er klar und deutlich vor sich sah: „Schilf an einem See, der, je mehr man sich ihm nähert, zusehends vor den Augen zerbröselt und sich in Nichts auflöst.“
Schon als Fünfjähriger von der Muse geküsst
Seine Erlebnisse, seine Eindrücke, die Abenteuer und Erfahrungen bahnen sich bis heute ihren Weg aus ihm heraus - auch auf Papier. Acht Bücher hat Röser bereits geschrieben und er sagt: „Es müssen schon noch ein paar mehr werden!“ Schon als kleiner Junge hat Röser seine Liebe zu Büchern und Geschichten entdeckt, die ihm die Welt eröffneten. „Ich habe alles gelesen, was mir zu Gesicht kam, selbst der Brockhaus war nicht sicher vor mir.“ Aus seiner Leselust entwickelte sich schon früh seine Leidenschaft fürs Schreiben. An sein erstes Gedicht, das er seiner Mutter als Fünfjähriger schrieb, erinnert er sich noch genau. „Ich reimte `Schnee´auf `Kartoffelpüree´! Immerhin eine beachtliche emotionale Spannbreite!“ Im Alter von 17 Jahren beginnt er dann, ernsthafte Gedichte zu verfassen, die die Intensität seiner Gefühlswelt sowie seine visuellen Eindrücke widerspiegeln. Gefundene und wieder verlorene Liebe, Beschreibungen von Naturerscheinungen und immer wiederkehrend die Sehnsucht nach der Ferne und die Frage, was sie ihm wohl bringt.
Seine gesammelten Verse hat Röser 1981 in dem Gedichtband „Windspuren“ zusammengefasst. Leichte Kost sind sie jedoch nicht. Dies verwundert kaum, wenn man bedenkt, dass der Mann, dessen Liebe zur deutschen Sprache ihn Mitte der fünfziger Jahre zum Germanistikstudium führte, Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Hölderlin und Homer als Lieblingsschriftsteller angibt und selbst heute noch die ersten 30 Verse der Odyssee auf Altgriechisch zitieren kann. „Früher waren es mal die ersten hundert!“ Seine Gedichte und Erzählungen sind manchmal nur beschreibend, ein anderes Mal stimmen sie nachdenklich und lassen Raum für Interpretation – immer aber findet sich etwas von Dietmar Röser selbst in oder zwischen den Zeilen.
Oft sind es nur Kleinigkeiten wie Formen und Farben, die seine Gedanken und seine Schreiblust anregen. Eine Kette mit einer Perlmuttmuschel, die er aus der Südsee mitbrachte, inspirierte ihn zu einem Märchenbuch „Die Muschel der Mondgöttin“, in dem er Mythen, Sitten und Bräuche fremder Kulturen aufgreift. Dass Röser trotz allem noch tief in seiner rheinischen Heimat verwurzelt ist, erlebt man in seinem Buch „Die Wette“. Im Nachlass seines Vaters fand er eine Sammlung von Geschichten, wie sie so oder doch so ähnlich geschehen sind, mit dem Vermerk: “Soll Dietmar fertigstellen und ergänzen“. So entstand eine Chronik kölscher „Verzällcher, Jrielächereien und schöner Erinnerungen“, die immer mit einem Augenzwinkern verbunden sind und den Leser schmunzeln oder sogar laut auflachen lassen.
Die Welt zu Gast im Wohnzimmer
Schaut man sich seine Wohnung an, wird schnell klar: hinaus muss Röser eigentlich mehr, denn die Welt ist längst bei ihm zu Hause. Da gibt es eine Afrika-Ecke mit Masken und Schnitzereien, eine Asien-Ecke mit Thankas, Erinnerungsstücken wie Anhänger, eine Feuerschlagtasche, Buddhafiguren, ein Weihwasserkesselchen aus dem Himalaya mit dem dazugehörigen Wedel aus Pfauenfedern, ein geschnitzter Göttervogel aus Bali, ein hölzernes Modell der „Bounty“ von den Seychellen. Schier unübersehbar ist ein Modell der „Victory“ (Admiral Nelsons Flaggschiff). Und auch dieses Stück ist untrennbar mit einer skurrilen Episode verbunden: „Ich hatte mich auf den ersten Blick in das Schiffsmodell verliebt und es gekauft. Am Flughafen gingen dann die Probleme los. Wohin damit? Das Modell war viel zu groß, um als Handgepäck durchzugehen und zu diffizil, um bei den Gepäckstücken im Bauch des Fliegers mitzufliegen. Dank der Hilfe der reizenden Stewardessen reiste am Ende die „Victory“ gut gesichert auf einem Sitz erster Klasse, während ich den Rückflug in der Holzklasse antrat.“ Besucher können sich bei Dietmar Röser zu Hause gar nicht satt sehen und zu allem fällt Röser eine Geschichte ein.
Nicht nur durch seine Mitbringsel hat die Welt Einzug in seine Wohnung gehalten. In Büchergestellen, die vom Fußboden bis unter die Decke reichen und sich entlang der Flur- und Wohnzimmerwände ziehen, sammeln sich Bildbände, klassische und moderne Literatur verschiedener Genres, Gedichtbände, theologische Abhandlungen, philosophische Wörterbücher, Fachliteratur zur Sprach-, Literatur- und Erziehungswissenschaft sowie Geschichte, Dokumentationen zu unterschiedlichsten Themen. Zwischen den lückenlos gefüllten Regalen wirkt das einzig beinahe leere Bücherbrett recht verloren. „Das“, sagt Röser, „will ich selbst noch füllen.“
Eine Aufgabe, an der er täglich an seinem Schreibtisch arbeitet inmitten eines Tohuwabohus aus Bergen von Post, Stapeln von handgeschriebenen Ideen und Manuskripten, dem Terminkalender, gesammelten Sinnsprüchen, einem übergroßen Brieföffner („damit man ihn zwischen all dem Papierkram auch wiederfindet“), einem großen Monitor, Telefon und Faxgerät. „Wenn ich aufräume, staune ich manchmal selbst, dass sich unter all dem tatsächlich ein Schreibtisch befindet“, scherzt Röser. Sein aktuelles Buch „ Die Rüsselfeile“ mit satirischen Geschichten, „Gehobeltes und Ungehobeltes“ hat er gerade fertiggestellt und schon ist das nächste in Arbeit. „Diesmal etwas Politisches“, mehr will Röser noch nicht verraten, der nicht nur viel zu erzählen, sondern auch zu sagen hat.
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