Mit tri tra trullala gegen Langeweile, Unterforderung und Aggression in Flüchtlingsunterkünften und für mehr Verständnis sowie ein besseres Miteinander der Kulturen. So oder zumindest so ähnlich stellt Stefan Birckmann sich das vor. Der in Röttgen lebende Autor will Puppenspiele für
Flüchtlinge in Bonn organisieren. Mit einer Wanderbühne geht es dann auf Tournee durch verschiedene Flüchtlingsunterkünfte in Bonn. Dabei soll die komplette Bühnenshow von den Flüchtlingen des Endenicher Paulusheims in Eigenleistung auf die Beine gestellt werden. Alle, die in der Einrichtung wohnen und arbeiten, Erwachsene wie Kinder, können sich als Bühnenbauer, Beleuchtungstechniker, Puppen-Schnitzer, Musiker, Texter und Dekorateure in das Projekt einbringen. Ganz nebenbei erhalten die Akteure spielerischen Deutschunterricht, da die Aufführungen natürlich in deutscher Sprache erfolgen sollen. „Ich selbst sehe mich dabei als proaktiv, als jemanden, der den Weg für dieses Projekt ebnet, die Dinge ins Rollen bringt und am Laufen hält“, erklärt Birckmann.
Die Puppe: Spiegelbild der Seele und Brückenbauer
Im Paulusheim leben derzeit dicht gedrängt Flüchtlinge aus drei verschiedenen Kontinenten, deren vollkommen unterschiedliche Weltbilder aufeinanderprallen. Ohne sinnvolle Beschäftigung sind die meisten von ihnen dazu verdammt, auf den Abschluss ihres Asylverfahrens zu warten. Dabei gebe es dort viele kreative Köpfe und handwerklich geschickte Menschen, deren Fähigkeiten brachliegen. Das alles berge großes Konfliktpotential und erschwere auch die Arbeit der Betreuer, weiß Birckmann.
Kasperle-Theater als Beschäftigungstherapie für Flüchtlinge - also? „Ja auch, aber es ist weit
mehr als das“, sagt Birckmann: „Ziel ist es, mit einer abschließenden Tournee durch Bonn etwas Vorzeigbares, Konkretes vorzuweisen, auf das die die Menschen stolz sein können. Mit einer Geschichte, die die ihre ist und in der sie all das auf die Bühne bringen können, was sie bewegt.“ Über das Puppenspiel würden auch Alltagssituationen nachgespielt, die Ängste und andere Emotionen aufgreifen. Außerdem könnten Gebräuche, Regeln und Umgangsformen des täglichen Lebens spielerisch kennengelernt und eingeübt werden. Die Teilnehmer sollen auf diesem Wege lernen Lösungsansätze zu entwickeln, damit sie mit den Herausforderungen ihrer Lebenssituation besser fertig werden. Die Puppe diene dabei als Avatar, der es den, vom Krieg und von der Flucht traumatisierten, Menschen erleichtere ihre Emotionen zu offenbaren. „Denn, es bin ja nicht ich, der dort spricht und agiert, sondern die Puppe“, erklärt Birckmann die Vorteile des Puppenspiels. Insbesondere jetzt, da unsere Willkommenskultur, nach den Vorkommissen in Köln, Hamburg und anderen Städten erste, tiefe Risse erhält, sei das Puppenspiel auch eine Chance, Macher und Publikum in Interaktion treten zu lassen, so Birckmann und weiter: „Über allem soll die rein humanitäre Komponente stehen. Die Schicksale der Menschen sollen, frei von jeglicher politischen Richtung, veranschaulicht und erfassbar gemacht werden.“
Positive Erfahrungen sprechen für die für einen Einsatz der Puppe als Flüchtlingshelfer
Dass dies alles keine blanke Theorie ist, sondern tatsächlich funktionieren kann, hat Birckmann während eines 2,5 jährigen Aufenthaltes als freiwilliger Helfer erstmals in Sri Lanka erfahren. Hier organisierte er Puppenspiele für die Opfer des Tsunamis, der im Jahr 2004 wütete. Auch dort war er Initiator und Road Manager für ein Puppenspiel, das von Einheimischen geschaffen und aufgeführt wurde. Mit einer Wanderbühne tourten sie entlang der Küstengebiete und sogar durch Bürgerkriegsgebiete. „Immer hatte das Puppenspiel eine positive Wirkung auf die Menschen“, erinnert sich Birckmann. Das Puppenspiel sei für die Menschen eine Art Katharsis gewesen, erzählt der freiwillige Helfer - ein Pflaster auf einer unsichtbaren Wunde. Nach diesen und weiteren Erfahrungen aus humanitären Einsätzen im Süd Sudan, Kongo und im Tschad ist Birckmann überzeugt von der positiven Wirkung des
Puppentheaters -auch auf die hier lebenden Flüchtlinge.
Projekt mit hoher Flexibilität
Allerdings steht den Machern des Stückes auf Dauer kein festes Ensemble im Paulusheim zur Verfügung, Flüchtlinge kommen und gehen. Für Birckmann ist das kein Problem. Ein Theaterstück mit einer Rahmenhandlung sei seiner Erfahrung nach schnell konzipiert und mit vielen Händen seinen auch Figuren und eine Bühne in wenigen Wochen einsatzbereit. „Zudem ist ein einmal erarbeitetes Theaterstück innerhalb einer Rahmenhandlung ja durchaus flexibel“, erklärt er, „neue Figuren können erschaffen und Inhalte je nach Mitspieler variiert werden.“
Starkes Team mit viel Know-how
Hilfe bei der Organisation und Umsetzung erhält Birckmann von Sozialarbeitern im Paulusheim sowie –und das freut ihn ganz besonders- von Erica Zoltan-Sapir. Die Theaterwissenschaftlerin, Journalistin und Puppenspielerin ist Mitbegründerin der Organisation Puppenspieler ohne Grenzen, der auch Stefan Birckmann angehört. Frau Zoltan-Sapir verfügt über Jahrzehnte lange Erfahrung mit dem Einsatz von Puppenspielen im humanitären Bereich und wurde international schon mehrfach für ihr humanitäres Engagement ausgezeichnet. Kompetente Verstärkung, bei der Anfertigung und der Handhabung der Puppen, erhalten die Macher zusätzlich von dem Pakistani Rafi Peer, einem professionellen Puppenspieler, in dessen Land das Puppenspiel traditionell tief verwurzelt ist. Der in Bonn lebende Künstler verfügt zudem über reiche Erfahrung bei der Organisation
zahlreicher internationaler Volksmarionetten-Festivals und Workshops. Finanziell wird das Projekt, das vorerst für den Zeitraum von einem Jahr geplant ist, unter anderem von der Bürgerstiftung Bonn unterstützt.
Am 30. Januar ist es soweit: Dann sollen sich im Paulusheim die ersten Teams zur Umsetzung zusammenfinden. Wenn alle Materialien besorgt sind und jeder Teilnehmer eine Aufgabe für sich gefunden hat, wird es sicher nicht lange dauern bis Road Manager Birckmann ausrufen kann: “Vorhang auf zur ersten Vorstellung!“
Kommentar schreiben