Es war einmal eine Weihnachtspyramide – nein, keine herkömmliche aus dem Erzge-birge. Die Weihnachtspyramide, von der hier die Rede sein soll, stammt aus dem schönen Röttgen bei Bonn. Sie ist auch keine von jenen kleinen Pyramiden, wie sie auf heimischen Fensterbänken oder in etwas größerer Form als weihnachtliche Dekoration in Wohnzimmern vorkommen. Diese hier war mal eine richtige Dorfpyramide - stattliche 1,70 Meter hoch mit Lichtern, die in der Dunkelheit leuchteten. Jedermann (und natürlich jede Frau) –vor allem aber die Kinder- bestaunten und bewunderten sie, wenn sie in der Adventszeit ihren angestammten Platz einnahm. Dann wusste auch der Letzte , dass das Weihnachtsfest nicht mehr allzu fern war. Eines Tages jedoch erschien sie nicht mehr wie gewohnt am ersten Advent, niemand hatte sie gesehen und sie bleib verschollen…….Aber halt, eins nach dem anderen.
Eine rheinische Weihnachtspyramide entsteht
Erschaffen wurde unsere Weihnachtspyramide in der Heidegartenstraße. In vielen geduldigen Arbeitsschritten erwuchs sie nach und nach den geschickten Händen ihres Erbauers Peter Schumacher. Der hatte ein Faible für die Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge: die fein geschnitzten Figuren, das stimmungsvolle, warme Licht, in deren Schein die beruhigende Drehbewegung der Flügelräder einem die schönsten Schattentänze an die Hauswand zaubert. Und so machte sich der Röttgener Hobbybastler daran, ein kleines Kunstwerk für sich und seine Familie zu bauen – eine Freilandpyramide als vorweihnacht-liches Schmuckstück für seinen Garten.
Zuerst zimmerte er ein stabiles Podest, auf dem ein dreistöckiges, sich nach oben verjüngendes Holzgestell emporragte. In stunden- ja wochenlanger Arbeit drechselte er ein robustes Gestell, das auch von einem ungestümen Winter mit Eis und Schnee nicht klein zu kriegen ist. Liebevoll verzierte der Heimwerker das Gestell mit unzähligen fein geschnitzten Rosenblüten und versah die Seitenteile einer jeden Etage mit sorgsam gefrästen Bordüren. Die Etagen seiner Pyramide sind Herberge für eine Krippe mit einem Hirten, der seine Schafe hütet und eines von ihnen auf seinen Armen trägt, die heiligen drei Könige, Maria, Joseph und das Kind, selbst Kuh und Esel hat Schumacher bei seinen Schnitzereien nicht vergessen. An oberster Stelle, gleich unter dem Flügelrad – im Himmel quasi (denn da gehören sie ja auch hin)- kreisen einige barocke (angezogene!) Engelchen. Ein Motor, im Podest der Pyramide versteckt, treibt die gesamte Konstruktion an und lässt zudem einige der schönsten Weihnachtslieder erklingen.
Tradition mit tiefen Wurzeln
So reiht sich die Pyramide von Peter Schumacher ein in eine Tradition, deren Anfänge bereits im Mittelalter zu finden sind. Damals ging es darum, mit dem Buschbaum (das sind aufgehängte grüne Zweige) das Unheil der dunklen Zeit abzuwenden. Anderenorts versuchte man dies mit Hilfe der Kraft des Lichtes. Die Weihnachtspyramide vereint beide Bräuche und wurde so zum Symbol für die Weihnachtszeit. Im 18. Jahrhundert wurden die "Lichtergestelle" mit grünen Zweigen umwunden und bildeten die Urform der Peremett*.
Sang und klanglos ausrangiert
Viele Jahre fuhren Kaspar, Melchior und Balthasar gemeinsam mit den anderen Geschöpfen der Pyramide in Peter Schumachers Garten Karussell. Nach dessen Tod ging die Weihnachtspyramide in den Besitz der katholischen Kirche Christi Auferstehung über. Im Innenhof vor der Kirche erfreute sie zwei weitere Jahre zur Adventszeit die Kirchgänger mit ihrem Lichterglanz, der Musik und den bunten Figuren. Doch plötzlich geschah das Unerwartete: die Pyramide mitsamt ihrer Flügelräder drehte sich nicht mehr und auch die Musik blieb stumm. Schuld war ein Defekt des Motors und die Pyramide wurde von ihrem angestammten Platz in einen dunklen Keller verbannt. Unbeachtet harrte sie hier mehrere Jahre lang aus, setzte Staub an und mehr und mehr Spinnweben breiteten sich zwischen Schafen und Jesuskind aus, bis sich Maren Taubert, eine Cousine von Erbauer Peter Schumacher, an das gute Stück erinnerte.
Wie Phoenix aus der Asche
„Die kannste han, die is kapott“, so die rheinisch-pragmatische Antwort auf ihre Nachfrage zum Verbleib der Weihnachts-pyramide. Nur allzu gern errettete Maren Taubert die vergessene Peremett aus ihrem Dornröschenschlaf, nahm sie mit nach Hause, wischte ihr den Staub aus den Ritzen und besserte kleine Mängel aus. Ihr Mann reparierte den Motor und hauchte dem Röttgener Unikat neues Leben ein. Seither erstrahlt und dreht sie sich jedes Jahr zur Adventszeit gut sichtbar im Vorgarten von Familie Taubert. Weil den Tauberts das Kunstwerk so gut gefiel und die Weihnachtspyramiden traditionsgemäß ein Symbol weihnachtlicher Vorfreude sind, beschlossen sie ihre Nachbarn und Freunde am ersten Adventswochenende zu einer großen Einweihungsparty einzuladen - mit viel Tam Tam, Glühwein, Gebäck, herzhaften Snacks und allem, was sonst noch dazu gehört. Vor vier Jahren war das. Seither versammelt sich die Gruppe alljährlich am ersten Advent um die 20 Jahre alte Pyramide herum. Dann singen sie Weihnachtslieder und freuen sich auf den Nikolaus**, der bei einem solchen Ereignis natürlich nicht fehlen darf.
Jeder Weihnachtspyramide wohnt die frohe Botschaft inne
Für Maren Taubert, ihre Nachbarn und Freunde ist dieses Fest jedoch mehr als eine willkommene Party. „Maren ist die beste Nachbarin, die man sich nur vorstellen kann“, sagt nicht nur eine der Nachbarinnen. „Wir alle achten aufeinander und respektieren unsere unterschiedliche Lebensart.“ Mit dem Pyramidenfest feiern sie ihre Gemeinschaft und das friedliche Miteinander, sagen sie –ein wunderbarer Brauch, mit dem die Weihnachts-botschaft im echten Leben angekommen ist. Da sind auch die traditionellen Weihnachts-pyramiden als Symbol gemeinsam empfundener Freude am rechten Platz – seien sie nun aus dem Erzgebirge oder aus Röttgen.
*so werden die Pyramiden im Erzgebirge liebevoll genannt
**in dessen rotem Mantel und unter dem weißen Rauschebart verbirgt
sich Maren Tauberts Vater Franz Schmitz
Fotos von der Weihnachtspyramide und der Adventsfeier hier.
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