Röttgen. Schon mehr als 26 Jahre reitet er Jahr für Jahr am Martinstag mit rotem Mantel, glänzendem Soldatenhelm und Schwert durch Röttgen und führt den langen Laternenzug an: St Martin –alias Kurt Müller. Schon als kleiner Junge habe er den Schutzheiligen der Bettler, Soldaten, Waffenschmiede und der Haustiere bewundert. „Seitdem wollte ich immer schon St. Martin werden. Das war mein großer Traum.“, erzählt der Röttgener St. Martin. Er sollte aber noch lange warten müssen, bis es endlich so weit war. Immer wieder gab es einen anderen im Ort, der schon vor ihm in den Startlöchern saß -oder anders
ausgedrückt den Fuß im Steigbügel hatte. Seine Chance kam, als der vorherige St. Martin durch ein unglückliches Geschick nicht in den Sattel steigen konnte. Kurt Müller sprang kurzfristig ein und ist bis heute die erste Besetzung geblieben.
Selbst Regen, Wind und Kälte konnten ihn nie davon abhalten einmal im Jahr als Martinsmann durch Röttgens Straßen zu reiten und die Martinsbrote eigenhändig an die Kinder auszuteilen. „Das allerschönste daran sind die leuchtenden Augen der Kinder“, erklärt er seine ungebrochene Motivation. Schön seien natürlich auch immer wieder die so liebe- und fantasievoll gebastelten Laternen der Kinder. Auch in diesem Jahr gab es da viel zu entdecken: kleine, bunte Füchse waren ebenso dabei wie ganze Heerscharen aus gelben, grünen und blauen Olchis, gelb leuchtende Sonnen, giftgrüne Froschkönige und farbenfrohe, dickbauchige Fische sowie bleichgesichtige und mit Ketten beschwerte Gespenster trugen die Kinder singend durch die Straßen. Unterstützt wurden sie dabei wie im vorigen Jahr von vier Musikkapellelen (die Rheinischen Musikanten aus Duisdorf, die Berkumer Dorfmusik, der Musikverein Duisdorf und der Spielmannszug Rot-Weiß Duisdorf) aus der näheren Umgebung, die zur Hitparade der Martinslieder aufspielten. Abschluss und Höhepunkt des
Martinszuges war natürlich das Martinsfeuer auf der Festwiese. Gemeinsam mit dem Ehrenvorsitzenden Gustav Hecker und der zweiten Vorsitzenden des Festausschusses Tanja Koep sangen hier nochmal alle gemeinsam zu Ehren des Heiligen Martin. Der präsentierte sich seinen kleinen Bewunderern dabei hautnah und dankte allen Beteiligten für ihren eifrigen Einsatz rund um den Martinstag.
Während sein Pferd sich am nächsten Tag von dem langen Ritt erholen durfte, freute sich Röttgens St. Martin, Kurt Müller schon auf seine Besuche in den Kindergärten. Überall wurde er schon gespannt und freudig erwartet. Beim Einzug in die Kindergärten achtet er darauf sein Schwert gut sichtbar vor sich her zu tragen, denn aus Erfahrung weiß er, dass die Kinder das lange, glänzende Schwert immer mit großer Neugier betrachten. „Jedes Mal, wenn ich es in der Scheide stecken lasse, ist das das erste wonach mich die Kinder fragen“, erklärt er belustigt.
In der städtischen Kita „Pusteblume“ empfangen ihn die Kinder mit klassischen Martinsliedern und spielen ihm noch kurz die Martinsgeschichte vor, bevor Kurt Müller sie begrüßen und nochmals ausgiebig ihre Laternen bestaunen sowie die Martinsbrote austeilen kann. Zum Abschied singen die Kinder dann noch ein Lied, das aber deutlich leiser ausfällt als bei der Ankunft des Bischofs. Wen wundert´s, wer kann schon mit vollen Backen singen?
„Gott sei Dank“, erzählt Müller auf dem Weg zum evangelischen Kindergarten amüsiert, „kann ich seit 20 Jahren auf dem eignen Pferd reiten. Früher haben wir immer ein Pferd geliehen. Da war auch schon mal ein Kaltblüter dabei. Ich kann Ihnen sagen, wenn Sie so im Spagat sitzen müssen, wird der Weg ziemlich lang.“ Auch in diesem Kindergarten wird St. Martin mit Lieder-Potpourris empfangen und verabschiedet. Und auch hier können die Kinder nicht mit vollen Backen singen.
Weiter zum katholischen Kindergarten. Etwas nachdenklich betrachtet Müller den glänzenden Soldatenhelm in seinen Händen: „Das hier ist schon fast ein antikes Stück. Der Helm ist bestimmt schon 50 bis 60 Jahre alt, den hat schon der erste Röttgener St. Martin auf dem Kopf getragen.“ Hier und da sind tatsächlich schon einige Dellen sichtbar. Die Kinder aber stört das nicht, sie halten Ausschau nach dem Pferd, das könne doch auch gut mit in den Kindergarten kommen, merkt einer der Kleinen an. Aber auch ohne Pferd bringen sie dem heiligen Mann ein Ständchen dar in perfektem Kölsch, schenken ihm noch eine kleine Laterne und freuen sich über die leckeren Martinsbrote. Dabei stellt sich heraus, dass man übrigens, auch Kölsche Martinslieder nur schlecht mit vollen Backen singen kann.
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