Röttgen. Mit einem Skandal ohne gleichen begann am Montagabend der Prozess um die Vergehen des Röttgener Zacheies. Wird der Kirmesmann doch alljährlich vom Festausschuss gestellt, so hatten ausgerechnet einige der eigenen Mitglieder den Mann entführt und waren nur gegen die Zusicherung einer hohen Ablöse bereit, ihn zum Gerichtshof zu bringen. „Es ist eine Schande, dass die Kidnapper aus den eigenen Reihen stammen. Und viel schlimmer noch, dass es sich hierbei um langjährige und angesehene Mitglieder des Festausschusses handelt“, schimpfte der Ehrenvorsitzende des Festausschusses Gustav Hecker vor Prozessbeginn. Zugleich distanzierte er sich von diesem ungeheuerlichen Fehlverhalten, indem er die Verantwortung den neuen Vorsitzenden des Vereins, Frank Edelmann und Tanja Koeb, zuschusterte und beiden mangelnde Führungskompetenz vorwarf. „Unter meiner Federführung hat es so etwas nie gegeben!“ wetterte er. Derweil zeigten sich die vollkommen ahnungslosen Edelmann und Koeb schockiert und äußerst betroffen von diesem Vorfall. Und es sollte noch ärger für die beiden Vorsitzenden kommen: Trotz der hohen Ablöse von einem Kasten Kölsch und mehreren Flaschen Sekt, lieferten die Entführer den Delinquenten nur äußerst widerwillig an das Gericht aus. Koeb und Edelmann kündigten Konsequenzen an. Sicher scheint allerdings, dass die beiden sich einiges einfallen lassen werden müssen, um ihre aufsässigen Mitglieder wieder zur Räson zu bringen.
Noch nie gab es so viele so schwerwiegende Anklagepunkte gegen Zachaies
Auch die anschließende Verhandlung der Strafsache „Zacheies“ nahm einen vollkommen unerwarteten Verlauf. Die Anklagepunkte gegen einen Kirmesmann waren noch nie so zahlreich und die Beweislast so erdrückend wie in diesem Prozess. Staatsanwalt David Sonntag erhob insgesamt acht schwerwiegende Anklagepunkte. So warf er dem Angeklagten, Karl Hubert Zacheies, geboren im größten Gangsterviertel Röttgens, der Dorfstraße, vor, sich maßgeblich in einer kriminellen Vereinigung der dort ansässigen Ureinwohner betätigt zu haben. Darüber hinaus warf Sonntag ihm vor, dubiose Kontakte zu einem gewissen Landtagsabgeordneten zu pflegen, der ebenfalls häufig in diesem Viertel verkehre. Des Weiteren wurde der Angeklagte folgender Vergehen beschuldigt:
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Raketenschmierereien am Röttgener Kreisel und auf Stromkästen an der Reichsstraße,
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Anstiftung zu konspirativen Versammlungen zum Thema Südtangente,
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Herbeiführen einer Schönwetterfront, die am Kirmessonntag zu bedrohlichen Engpässen bei der Versorgung der Kirmesbesucher mit Sprudelwasser führte,
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Heraufbeschwören einer fiebrigen Erkrankung, bei Herrn F. Edelmann, einem bis dato untadligen Bürger Röttgens,
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Befürwortung des Kunstrasenplatzes für Ippendorf, in deren Folge die Röttgener Fußballer auf ihrem Ascheplatz schmutzige Schuhe bei schlechtem, und bei sonnigem Wetter eine Staublunge riskieren ,
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Aufstellen von Blitzern an der Reichsstraße in Höhe der Gaststätte Butscheidts.
Staatsanwalt wird in die Schranken gewiesen
Erstmalig bei dergleichen Verhandlungen wurde dem Angeklagten nicht ein Pflichtverteidiger, sondern Star-Anwalt Joachim Stamp zur Seite gestellt. In einem temperamentvollen Plädoyer versuchte Stamp die Vorwürfe gegen seinen Mandanten zu entkräften, und den vorsitzenden Richter Stefan Zimmermann von der Unschuld seines Mandanten zu überzeugen. Besonders im letzten Punkt der Anklageerhebung, dem Aufstellen der Blitzer, zeigte sich der Anwalt in seinem Element. "Mein Mandant würde sich niemals zu so einem Denunziantentum hinreißen lassen", sagte er. Außerdem seien die Bilder qualitativ schlecht und obendrein noch teuer. Er wisse das genau, denn auch er selbst sei dieser modernen Straßenräuberei schon zum Opfer gefallen. Stamp ereiferte sich dermaßen, dass er von Richter Zimmermann zurechtgewiesen wurde, sich auf das Wesentliche zu beschränken, schließlich sei man hier im Gerichtssaal und nicht im Landtag. Entgegen aller Eloquenz des Verteidigers, schien Staatsanwalt David Sonntag die schlagkräftigeren Argumente zu haben. Stamps Forderung nach einem Freispruch für seinen Mandanten, drohte daher auch von dem recht besonnen agierenden Richter Zimmermann abgeschmettert zu werden.
Zeugin dreht den gesamten Prozessverlauf
Der Verteidiger hatte jedoch noch ein Ass im Ärmel. Er bat eine Zeugin in den Gerichtssaal, deren ausgezeichneter Leumund weit über die Grenzen der Ortsteile Röttgen und Ückesdorf hinaus bekannt ist: Petra Mellinghoff. Mit ihrer Aussage kippte der Prozessverlauf vollkommen unerwartet.
Auf einem USB-Stick präsentierte sie dem hohen Gericht Fotos des Angeklagten, die ihn zu den angegebenen Tatzeiten beim Friseur, in der Kneipe, beim Einsatz der freiwilligen Feuerwehr und in einer gutbesuchten Eisdiele zeigten. Der Ankläger wollte dies jedoch nicht als Alibibeweis anerkennen, schließlich könnten solche Fotos leicht mit Photoshop manipuliert werden, so sein kritischer Einwand. Die Zeugin erklärte daraufhin jedoch, sie habe den wahren Täter bei seinen Machenschaften beobachtet und sogar fotografiert. Tatsächlich war auf weiteren Beweisfotos eine bis dato unbekannte Person von zwielichtiger Erscheinung zu sehen, die diese in flagranti bei den beschriebenen Taten zeigten.
DOSI fasst den wahren Täter
Als das Gericht und auch die anwesenden Zuhörer im Gerichtssaal noch darüber rätselten, was das Logo mit der Aufschrift VfLL auf dem weißen T-Shirt des Täters zu bedeuten habe, kämpfte sich ein Beamter der Dorfsicherheit (DOSI) mit einem sich heftig wehrenden Gefangenen durch den Saal nach vorne. Zum Erstaunen aller, war dieser Unbekannte identisch mit dem von der Zeugin beschriebenen und fotografierten Mann – selbst das rätselhafte T-Shirt trug er noch am Leib. Der wachsame und aus Sicherheits- und Geheimhaltungsgründen vermummte DOSI- Beamte hatte den Täter bereits eindeutig als Paias von Lengsdorf identifiziert.
Sensationelles Urteil mit weitreichenden Folgen
Da der Lengsdorfer Paias seine (Un)taten nicht leugnete, wurde der Röttgener Zacheies erstmalig in der Geschichte von allen Anklagepunkten freigesprochen, während der Paias für schuldig befunden und zum Tode durch Verbrennen verurteilt wurde. Die Jugendfeuerwehr Röttgen vollstreckte das Urteil unter den Augen des Gerichts und aller anwesenden Dorfbewohner.
Während der Eindringling – möglicherweise ein infiltrierter Agent aus Lengsdorf?- zu einem Häufchen Asche verkohlte, wurde eine der Zacheies-Entführerinnen dabei beobachtet, wie sie Arm in Arm mit dem Kirmesmann nach Hause schlenderte. Seither sucht ihr Gatte verzweifelt eine Unterkunft für sich und hofft, dass Karl Hubert Zacheies im nächsten Jahr nicht freigesprochen wird, so dass er wieder in seine eigenen vier Wände zurückkehren kann.
Hintergrundinformationen zur Kirmes und den Gebräuchen für Zugezogene und Interessierte: Daten & Fakten zum Zacheies und zur Röttgener Kirmes
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