Ückesdorf. Einen besonderen Jahresrückblick gab es gestern Abend am Carl-von Ossietzky-Gymnasium. Pianist Daniel Höhr und Schauspielerin Julia Seitz (Schülerin am CvO)
begeisterten das Publikum mit Fanny Hensels (1805-1847) Klavierzyklus "Das Jahr", in dem die Komponistin in zwölf Charakterstücken die Monate des Jahres vertont. Das Einpersonenstück ließ die
Zuschauer in einfühlsamer Weise teilhaben an der Gefühls- und Gedankenwelt der Fanny Hensel am letzten Tag des Jahres 1841.
Schon zu seiner Zeit war "Das Jahr" ein "multimediales" Werk, bei dem Musik, Kunst und Dichtung zu einer Einheit verschmolzen. Den Kompositionen sind kurze, von Fanny Hensel und ihrem Mann
Wilhelm Hensel verfasste Gedichte vorangestellt. Die Titelblätter der jeweiligen Monatskompositionen schmückte Wilhelm Hensel mit liebevoll gestalteten Vignetten und Zeichnungen aus. Um dieses
umfassende Gesamtkunstwerk, das in typischer Weise dem Geist der Romantik entspricht, als Einpersonenstück auf die Bühne zu bringen, verfassten der Pianist Daniel Höhr und Markus Grünter,
Musiklehrer am CvO, frei nach Tagebucheinträgen von Fanny Hensel eine Rahmenhandlung. Dabei spielte Julia Seitz (16 Jahre) die Rolle der Fanny Hensel. Im Wechsel mit Daniel Höhr, der den
musikalischen Part am Flügel übernahm, trug Julia Seitz die Erinnerungen der Komponistin aus dem Jahre 1841sowie die kurzen lyrischen Texte zu den einzelnen Monaten vor. Auf einer großen Leinwand
waren überdies die von Wilhelm Hensel ausgestalteten Titelblätter zu sehen.
In den technisch und musikalisch sehr anspruchsvollen Stücken stellte Höhr, der vor Jahren bereits am Klavierabend zur Einweihung des nach einem Brand restaurierten Flügels in der Aula des CvO spielte und auch bei den "Carmina Burana"-Konzerten mitwirkte, seine Virtuosität einmal mehr unter Beweis. Sein Spiel nahm die Zuhörer mit durch den Wechsel der Monate mit ihren unterschiedlichen Stimmungen und feinen Nuancen. Höhr selbst ist froh dieses, wie er sagt, große Stück romantischer Klavierkunst erneut spielen zu dürfen. "Fanny Hensel war eine großartige Komponistin, die ihrem berühmten Bruder Felix Mendelssohn in keinster Weise nachstand. Ihr Pech war es, dass sie eine Frau war und ihr daher eine Veröffentlichung ihrer Werke nicht gestattet war", sagt er und möchte mit seinen Konzerten dazu beitragen, dass Fanny Hensel als Komponistin etabliert wird.
Aber nicht nur für den Pianisten ist Hensel Faszination und Herausforderung zugleich, auch Julia Seitz musste sich in die Epoche der Romantik einfühlen. Keine leichte Aufgabe für eine 16-jährige Schülerin unserer Zeit. Zu Hilfe kamen ihr da Erfahrungen aus zahlreichen Theateraufführungen während ihrer Schulzeit berichtet sie. "Schwierig ist es die Zeit, in der Daniel Höhr auf dem Flügel spielt zu überbrücken, Währenddessen muss ich den Gedanken der Fanny Hensel nachgehen und darf nur sehr bedacht agieren, um nicht zu viel Unruhe im Stück aufkommen zu lassen. Das war neu für mich", ergänzt sie. Dennoch hatte Markus Grünter bei der Besetzung der Rolle den "richtigen Riecher". "Für mich war Julia vom äußeren Typus her der Inbegriff der Romantik", kommentiert er seine Wahl. Obwohl sich Julia in den Proben als modere Frau entpuppte, die sich zunächst nur schwer mit den Lebensgewohnheiten der damaligen Zeit identifizieren konnte, überzeugte sie als Fanny Hensel absolut. Die überzeugende Darstellung der Komponistin wurde nicht zuletzt durch das von Lehrerin Ingrid Dotzauer aus Bildvorlagen nachempfundene und selbst geschneiderte Kleid unterstützt.
So erlebten die Zuschauer kurz vor Jahresende eine rundum gelungene Aufführung sowie einen einfühlsamen und künstlerisch vielseitigen Jahresrückblick.
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